Persönliche Gedanken zur Historik im Rheindelta
Man kann annehmen, dass das Vorarlberger Rheindelta ornithologisch erst in den späten 1950er Jahren „entdeckt“ wurde, als sich eine Gruppe junger Schweizer Studenten auf den Weg machte, dieses Gebiet vogelkundlich zu untersuchen. Ihnen wurde schnell bewusst, dass sie hier ein einmaliges Gebiet vorfanden, das in seinem ursprünglichen Zustand heute höchstens noch mit abgelegenen Gegenden und Feuchtgebieten in Osteuropa verglichen werden kann. Dieser jungen Forschergruppe gehörten u.a. René Appenzeller, Bruno Keist, Walter Leuthold und Peter Willi (1940-2008) an. Zu ihnen gesellten sich im Laufe der 1960er Jahre u.a. Vinzenz Blum (1916-2007) aus Bregenz sowie andere Ornithologen aus der sich etablierenden Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee (OAB), alles Persönlichkeiten, welche die Ornithologie am Bodensee, aber vor allem im Vorarlberger Rheindelta entscheidend geprägt hatten. Peter Willi veröffentlichte bereits 1961 eine Arbeit über „Die Vögel des Fussacher Riedes“ (Ornith. Beob. 58:35-43), zu einer Zeit, wo die Einpolderung des Rheindeltas und Entwässerung der Streu- und Seggenwiesen ihren unheilvollen Lauf nahm. Die bis dahin z.B. noch über 60 (!) rufenden Wachtelkönige im Fussacher Ried waren nach vier Jahren verschwunden und für viele andere Wiesenbrüterarten bedeutete es zunehmend das Aus.
Trotz der massiven topografischen Gebietsveränderungen im Rheindelta – zu erwähnen ist v.a. die Vorstreckung der Rheinmündung in den Bodensee um 5km – und dem Niedergang der Wiesenbrüter wurde das Rheindelta ab den 1970er Jahren zum Synonym für ein ornithologisches Topgebiet. Dazu trugen nicht zuletzt die vielen Seltenheiten bei, welche die damaligen Ornithologen mit ihren fundierten Kenntnissen entdeckten, ferner auch die von der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft Bodensee in dieser Zeit mit grossem Erfolg durchgeführten „Rheindelta-Vogelkundekurse“. Auch die nachfolgende Ornithologen-Generation (u.a. mit Alwin Schönenberger, später auch Jürgen Ulmer, Daniel Bruderer und Georg Juen) half mit, durch ihre regelmässige Präsenz und ausgezeichneten Beobachtungen den „Rheindelta-Geist“ aufrecht zu halten. Zudem ist es den vielen Anstrengungen des lokalen Vogel- und Naturschutzes zu verdanken, dass der Schutzstatus des Rheindeltas seit 1976 bis heute erhalten geblieben ist und z.B. um Lustenau und Dornbirn noch ein paar Brachvögel und etliche Kiebitze brüten.
Selbst in die Jahre gekommen erinnere ich mich mit etwas Wehmut zurück an meine ersten Rheindelta-Exkursionen anfangs der 1970er Jahre, als noch Uferschnepfen im Fussacher Ried brüteten, die Sandinsel unverbuscht war und die Mündung des Alpenrheins nur 300m unterhalb des „Sanddelta-Parkplatzes“ lag. Diese Zeit wird nicht wiederkommen, aber der Impuls und die Freude, im Rheindelta zu beobachten ist geblieben. Mit dieser Webseite über das Vorarlberger Rheindelta möchte ich versuchen, das „Einst und Heute“ zu verbinden und die jüngere Ornithologen-Generation ermuntern, mit dem Spirit von damals im Rheindelta von „Heute“ unterwegs zu sein.
Stephan Trösch
(verfasst am 11.08.2017)